Kunstaktion - Intervention - soziale Plastik
Partizipative Kunst lebt vom Miteinander – vom Dialog, vom gemeinsamen Gestalten, vom Teilen von Raum und Verantwortung. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Ernst Handel seit über 40 Jahren.
1982 entdeckt er im KuKCK Berlin den richtigen Ort und die dazugehörigen Menschen, um in der alten Bonner Republik und ihrer experimentierfreudigen Enklave West-Berlin, zu einem neuen Selbstverständis seiner Kunst zu finden: Der gebürtige Österreicher hatte sich gerade erst mit Duchamp (als geistigen Mentor) einen theoretischen Weg zur klassischen Moderne erarbeitet, als er, in der Aktion mit jungen, kunstbewegten Hausbesetzer:innen, zu einer eigenwilligen ästhetischen Praxis gelangt. Offensichtlich politisch und gleichzeitig anthropologisch recherchierend, was seinem Studium von CG Jung und Claude Levi-Strauss zu verdanken ist, wird er in dieser Zeit zu einem Leuchtturm wechselnder Kollektive. Legendäre Aktionen wie "Vorsicht Kunst" führen zur Einladung des KuKuCKs in die Akademie der Künste. In dieser Zeit eröffnet er erneut den (nach Martin Kippenbergs Geschäftsführung wieder geschlossenen) Kultort SO36 (1985-1989). Handls Kunstaktionen dieser Zeit kann man fast als parallele zweite Welle zum Diskurs um die "soziale Plastik" verstehen, ohne dass es eine direkte Anbindung an Joseph Beuys gäbe: politisch, gesellschaftsnah, mit Beteiligung und subkulturell verwurzelt.
1989 ist Handl Mitgründer und künstlerische Leitung der Aktionsgruppe Story-Dealer. Unzählige partizipative Interventionen richten sich bis 2002 an ein neues Klientel: Bildungsinstitutionen wie Universitäten, Bundesumwelt-Amt, Management- und Trendistitute und in der Folge Unternehmen in ihrer Suche nach werteorientierten und innovativen Maßnahmen. Seine Projekte beschäftigen sich mit der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit, Perspektivwechsel und immer einer Hinführung zur kollektiven, ästhetischen Praxis. Die Kollaboration mit Wissenschaft (Soziologie, Managementtheorie) und Kunst (Tanz, Theater, Musik) lassen ihn immer neue Performances entwickeln, mit denen er in speziell konzipierte Inszenierungen führt.
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2002 gründet er mit Kirsten Hense handl.e pictures, um unmittelbar das Kunst-Werk in den Mittelpunkt der Interaktion zu stellen. Das Klientel erweitert sich bis 2020 um bedeutende deutsche DAX-Unternehmen. An den Aktionen werden bis zu 1.400 Menschen gleichzeitig beteiligt - In einem anderen komplexeren Prozess 33.687 Menschen. Die Ergebnisse als Asche des Prozesses landen in den Sammlungen von Deutsche Post, Daimler, Basf, Lilly Pharma, DB, otto group (Auswahl).
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2017 wird Handl vom Bundesministerium für Finanzen anlässlich des deutschen Vorsitz G20 zum Finanzministertreffen in Baden-Baden mit einer Kunstaktion beauftrag. Die Beteiligung der 20 Mitgliedsländern inkludieren unter anderm einen selbstgemalten Stein von Minister Wolfgang Schäuble, Christine Lagarde (IWF), dem japanischen Minister, Mitarbeitenden der Ministerien, Schüler:innen, Student:innen und einer Initiative von sehbehinderten Maler:innen aus Korea, die alle zusammen in einem von Handl geschaffenen „GLOBAL STONE GARDEN“ im Museum Frieda Burda ausgestellt werden. Ein Jahr später ist diese Aktion als Foto-Dokumentationsausstellung im Hauptsitz der Weltbank, Washington D.C präsent.
Handls Ansatz darf sich einreihen in eine internationale Bewegung: Ob Lily Yehs farbenfrohe Gemeinschaftsprojekte in Ruanda und den USA , JR’s “Inside Out”-Porträts auf öffentlichen Plätzen weltweit oder Jochen Gerz’ “2-3 Straßen” im Ruhrgebiet – sie alle zeigen, wie Kunst als kollektiver Akt gesellschaftliche Räume neu definiert. In Deutschland setzen z.B. Initiativen wie “48 Stunden Neukölln” oder die “Bibliothek der Generationen” auf Teilhabe und eröffnen neue Perspektiven auf das Zusammenleben. Kunstaktionen haben das Potential als Herzöffner komplexe Situationen, schwierige Konstellationen, gesellschaftlich brennende Fragen durch ihre Beteiligungsangebote angreifbar zu machen. Ernst Handl ist einer ihrer Akteure.