Referenz: Ausstellungskatalog 1977

 u.a. 1977 Galerie Alte Schmiede, Wien

Wenn der Handl ein Kind im Gang eines Bassenahausesaussetzt - ganz tief hinten, wo ein Fenster dem Licht danndoch endlich eine Hoffnung lässt — wie erreicht uns das?Der Miststierer, die angstvolle Frau Schleifer hinter ihrermisstrauischen Kette, der breithüftige Sonntag in Wien, der,nicht viel Trost verspricht, wenn’s erst dunkel geworden seinwird — ist das pittoresk?Oder so: ist die Akribie, mit der da berochen, hingesehen,notiert, registriert und technisch perfekt ausgeführt wird — istdas alles zufrieden mit sich und der angemalten Welt?Oder ist da Liebe dabei? Ist das nicht eine Genauigkeit, dieweh tut? Eine kritische Sorgfalt — und also barmherzig?Heute stöbern die Historiker, heute lernen die Soziologen undforschen und filzen und finden und finden und finden in den(wenigen!) wunderbaren Bilderbüchern, die vor Generationengemalt und gedruckt wurden. Finden in diesen Bildern vondamals Antworten. Erkennen auch so, wie die leben musstenund wovor die Grund hatten, sich zu fürchten. Und was unzumutbar war an den Lebensumständen der Eltern unserer Eltern.Will das so eine Verführung sein, diese genaue Schönheit?Den Hinseher, den Draufglotzer, den. lllustrationskonsumentenerst einmal locken — und dann kann er wohl kaum mehrweg-schielen. Die Sinnlichkeit dieser Bilder irritieren das Bewusstsein und erwischen, ertappen.Und verbringt man zusehends Zeit mit den ganz anderenBildern Handis, die einen ansaugen können, in einen Strudel…(man erschrickt, wenn man den Sog merkt – und da dreht man sich schon)Wie ist das mit den Bildern?

Da ist einer genau, der sich nichts schenken will. Da könnendie Fachleute von der Geologie und Tektonik dieser Tafelnsprechen, von Lasuren und Techniken - aber was sehe ich? 

Licht, das durch all diese Schichten dringt und wieder Licht heraufholt. Frau sehe ich, eine ganz weibliche Welt, dieseSchlünde und Klammerwurzeln, Löcher, Krater, Höhlen, ‘da will einer wieder und wieder geboren werden, lässt’ sich drum wieder und wieder anziehen, einholen‚ einsaugen. Die meint man zu kennen, so sind einige dieser Bilder. Manwill den Ort benennen, da war ich schon, da wollte ich schonimmer hin…“ Da sind Verführungen, die können angenehmwerden und sowas verschafft einem schlechtes Gewissen?nicht wahr? Manchmal kann's wie Dantes Inferno aussehen - so aus dem Kopf entstanden, nach gar keinem existierendenEnde der Welt gemalt. 

Handl: 

hat der auch manchmal auch Angst vor dem „Erfolg“ eines Bildes? Weil er ihn vorausahnen kann, weil er ihn wiederkehren sieht? Einer, der weiss, wie gefährlich Meisterschaft sein kann, will immernoch beharrlich hinter das Geheimnis von Tiefe, Licht, Erde sogar Himmel kommen.

Auch das Risiko geht er ein.

Axel Corti